„Mit Menno durch die Zeit: Eine besondere Kirchenführung in Loquard

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Ein Schatz aus Backstein, Sandstein und Geschichten. Die historische Kirche in Loquard ist nicht nur ein Ort des Glaubens
Ein Schatz aus Backstein, Sandstein und Geschichten. Die historische Kirche in Loquard ist nicht nur ein Ort des Glaubens

Ein Schatz aus Backstein, Sandstein und Geschichten. Die historische Kirche in Loquard ist nicht nur ein Ort des Glaubens, sondern auch ein beeindruckendes Zeugnis ostfriesischer Geschichte. Ein Besuch mit Menno Bussen zeigt, wie lebendig jahrhundertealte Mauern sein können – wenn jemand sie zum Sprechen bringt.

Die historische Kirche in Loquard – Ein Blick zurück mit Menno Bussen

Wer als Urlauber in die Krummhörn kommt, sieht die imposante Loquarder Kirche meist nur von außen. Denn außerhalb der Gottesdienste ist die schwere Tür in der Regel verschlossen. Doch manchmal ergeben sich schöne Zufälle – so wie neulich, als mich eine sympathische Gastfamilie fragte, ob man die Kirche besichtigen könne.

Ich wusste es nicht und fragte unseren direkten Kirchennachbarn Volkmar Kayser. Der verwies mich an Menno Bussen, Kirchenratsmitglied und Loquarder Urgestein.

Ein Türöffner im besten Sinne

Viele Besucher:innen sehen die imposante Kirche von Loquard nur von außen – denn außerhalb der Gottesdienste bleibt die Tür meist verschlossen. Als mich eine Gastfamilie fragte, ob eine Besichtigung möglich sei, begann eine kleine Entdeckungsreise – und sie endete in einer wunderbaren Führung mit Menno Bussen.
Viele Besucher:innen sehen die imposante Kirche von Loquard nur von außen – denn außerhalb der Gottesdienste bleibt die Tür meist verschlossen. Als mich eine Gastfamilie fragte, ob eine Besichtigung möglich sei, begann eine kleine Entdeckungsreise – und sie endete in einer wunderbaren Führung mit Menno Bussen.

Ein Rundgang mit Charme, Geschichte und Humor

Unsere Gäste hatten Erfolg – und fragten mich spontan, ob ich nicht mitkommen wolle. Ich hatte die Kirche selbst noch nie von innen gesehen. Also machten wir uns an einem Samstagmorgen auf den Weg – und wurden von Menno Bussen herzlich empfangen.

Menno, den ich auf über 80 Jahre schätze, strahlt ostfriesischen Humor, Herzenswärme und Wissen aus. Sein Erzählstil ließ die dicken Mauern lebendig werden: Er sprach von Sturmfluten, in denen Menschen und Tiere in der Kirche Schutz suchten, und davon, dass im Boden der Kirche einst viele Priester begraben lagen – bis in den 60er Jahren Platz für eine Heizungsanlage gebraucht wurde. Die Gebeine? „Die landeten hinterm Deich“, erzählt er trocken.

Treffpunkt Dorfdom – mit Herz und Humor

Menno Bussen, Loquarder Urgestein und langjähriges Kirchenratsmitglied, empfing uns mit ostfriesischem Charme. Sein Wissen, sein Humor und seine ehrliche Begeisterung für „seine Kirche“ machten die Führung zu etwas ganz Besonderem.
Menno Bussen, Loquarder Urgestein und langjähriges Kirchenratsmitglied, empfing uns mit ostfriesischem Charme. Sein Wissen, sein Humor und seine ehrliche Begeisterung für „seine Kirche“ machten die Führung zu etwas ganz Besonderem.

Architektur und Kunstschätze – ein Blick ins Innere

Die Kirche stammt aus dem späten 13. Jahrhundert. Der älteste überlieferte Name eines Geistlichen ist Pfarrer Ubbo (1385), der gemeinsam mit seinem Kollegen Escolphus aus Rysum eine Urkunde besiegelte.

Besonders beeindruckend ist der prächtige Altar von ca. 1510 – ein spätgotisches Meisterwerk, vermutlich aus einer flämischen Werkstatt. Das geschnitzte Altarretabel zeigt Szenen aus der Passion Christi: von der Verurteilung durch Pilatus über Kreuzigung und Grablegung bis hin zur Kreuzabnahme. Einige Figuren gingen bei Restaurierungen verloren – Menno vermutet augenzwinkernd, sie „seien wohl im Winter verheizt worden“.

Der Altar: Kunstwerk mit Geschichte

Ein spätgotischer Backsteinaltar mit geschnitztem Retabel aus einer flämischen Werkstatt (ca. 1510): Die Passion Christi in kunstvoller Darstellung – beeindruckend und bewegend zugleich. Einige Teile gingen im Laufe der Zeit verloren. „Vielleicht dem Winter zum Opfer gefallen“, sagt Menno augenzwinkernd.
Ein spätgotischer Backsteinaltar mit geschnitztem Retabel aus einer flämischen Werkstatt (ca. 1510): Die Passion Christi in kunstvoller Darstellung – beeindruckend und bewegend zugleich. Einige Teile gingen im Laufe der Zeit verloren. „Vielleicht dem Winter zum Opfer gefallen“, sagt Menno augenzwinkernd.

Wohlklang seit 1793: Die Orgel

Die Orgel von 1793 bringt bis heute Wohlklang in die Gottesdienste. Ihr „Windspiel“ verleiht dem Raum eine besondere Atmosphäre – ein Klangkörper mit Geschichte und Seele.
Die Orgel von 1793 bringt bis heute Wohlklang in die Gottesdienste. Ihr „Windspiel“ verleiht dem Raum eine besondere Atmosphäre – ein Klangkörper mit Geschichte und Seele.

Und dann ist da noch das Taufbecken aus Bentheimer Sandstein – ein Fundstück mit Geschichte. Es stammt aus Westerholt, wurde 1965 der Loquarder Gemeinde geschenkt und liebevoll restauriert. Getragen wird es von vier Löwen und verziert mit floralen Ornamenten.

Ein Löwenstarkes Taufbecken

Die Taufe aus Sandstein – gefertigt um 1200 – ist ein Geschenk mit Umweg: Ursprünglich in Westerholt, kam sie in den 1960er Jahren nach Loquard. Restauriert von Willi Schmalstieg, ruht sie heute auf vier steinernen Löwen – und begeistert durch ihre schlichte Schönheit.
Die Taufe aus Sandstein – gefertigt um 1200 – ist ein Geschenk mit Umweg: Ursprünglich in Westerholt, kam sie in den 1960er Jahren nach Loquard. Restauriert von Willi Schmalstieg, ruht sie heute auf vier steinernen Löwen – und begeistert durch ihre schlichte Schönheit.

Schutz, Zuflucht und stille Zeugen

Die Kirche war nicht nur ein Ort des Gebets, sondern auch Zufluchtsstätte bei Sturmfluten. Manch Priester wurde einst im Kirchenboden beigesetzt – bis in den 1960er Jahren eine Heizungsanlage für unerwartete Umbettungen sorgte.

Vergangenheit sucht Zukunft

Menno Bussen wünscht sich einen Nachfolger oder eine Nachfolgerin, der/die Besucher durch das Gotteshaus führt. Die Geschichte der Kirche darf nicht verstummen – vielleicht findet sich ja jemand, der diese Aufgabe übernimmt?

Loquard – ein Dorf mit Geschichte

Das Warfendorf Loquard ist bereits im 10. Jahrhundert als „Lacuurd“ belegt. Es gehörte zum Emsigerland und wurde später zum Zentrum der kleinen Herrlichkeit Loquard, zu der auch Rysum und Campen zählten.

1400 wurde die dortige Burg im Konflikt mit der Hanse geschleift. Im späten 15. Jahrhundert übernahm Viktor Frese, durch Heirat, die Herrlichkeit – sein Enkel verkaufte sie 1564 an Edzard II. Cirksena und seine Frau, die schwedische Prinzessin Katharina Wasa. Damit kam auch das Patronat über die Kirche in neue Hände.

Die Reformation führte zu einem Nebeneinander von lutherischen und reformierten Gemeinden. Loquard blieb – wie auch Pewsum und Woquard – eine lutherische Enklave in überwiegend reformierter Umgebung. Das Patronat der lutherisch geprägten Herrschaft prägte die Kirchentradition bis heute.

Zwischen Luther und Reformiert – die Glaubensgeschichte Loquards

Loquard war über Jahrhunderte ein Ort des Nebeneinanders unterschiedlicher Konfessionen. Während Campen zur reformierten Kirche zurückfand, blieben Loquard, Pewsum und Woquard lutherisch – Enklaven in einer reformierten Umgebung.
Loquard war über Jahrhunderte ein Ort des Nebeneinanders unterschiedlicher Konfessionen. Während Campen zur reformierten Kirche zurückfand, blieben Loquard, Pewsum und Woquard lutherisch – Enklaven in einer reformierten Umgebung.

Ein Ort, der weiter erzählt werden will

Die Loquarder Kirche ist kein Museum – sie ist ein lebendiger Ort voller Geschichte(n), Glauben und Gemeinschaft. Sie verdient es, offen und zugänglich zu sein. Vielleicht liest ja jemand diesen Beitrag und denkt: „Das möchte ich auch mal erleben – oder vielleicht sogar weitergeben.“

Weitere historische Informationen zur Kirche finden Sie auch im Kirchengemeindelexikon Loquard.

 

Mehr Informationen geschichtlich auch im Kirchengemeinde Lexikon Loquard